1947 gründet Leonard Chess in Chicago seine Plattenfirma „Cadillac Rekords”. Mit Muddy Waters und Little Walter nimmt er zwei spätere Ikonen des Blues unter Vertrag. Howlin Wolf und Urvater des Rock ´n Roll Chuck Berry werden von ihm produziert. Zu der von ihm entdeckten Etta James zieht es Chess romantisch hin. Doch seine Ehe und die unterschiedlichen Hautfarben stehen zwischen dem Paar. Berry landet im Knast, Elvis Presley ist weiß und somit massenkompatibler und die Platte bleibt stehen für Leonard Chess. Genau wie sein Herz.
Das runde gelbe Logo von Chess Records dreht sich herum, scheint zum lächelnden Gesicht zu werden und dann zum traurigen zu zerfließen. Diese Assoziation als gewollt zu sehen, hieße den Film mit Symbolik zu überladen, wo keine ist. “Cadillac Records” kratzt mit seiner mutlosen Geschichte höchstens an der Oberfläche. Die unterschwellige sexuelle Spannung zwischen Leonard Chess und Sängerin Etta James war den Machern zu überfrachtet mit Rassenkonflikt, Ehebruch und biografischer Problematik der James. Dass sie als einzige tragende Frauenfigur blass bleibt, ist die größte Enttäuschung. “I ´m plenty of woman!“, sagt sie einmal. Auf die echte James trifft das zu. Beyonce Knowles jedoch fehlt es nicht nur physisch an dem Format der Bluesikone. Unecht wie ihre mit künstlichen Extrapfunden ausgestopfte Figur wirkt ihr Schauspiel. Ihr dünnes Stimmchen fügt sich in die dünne Handlung. Übervoll ist “ Cadillac Rekords” mit explosiven Themen. Selbst die unumgänglichen wie Rassendiskriminierung werden jedoch nur vorsichtig angetippt. Schlägt ein weißer Polizist Little Walter zusammen, verharmlost der Film dies als von Little Walter provozierten Angriff. Chuck Berry wird aus einem Club geworfen, der ihn als Musiker gebucht hatte in dem Glauben, er sei weiß? Um so besser, der gute Leonard Chess nimmt ihn dafür unter Vertrag. Alles halb so wild mit dem Rassenkonflikt. Dass Berry für ein Vergehen eingesperrt wird, dass einen Weißen nicht einmal vor Gericht gebracht hätte, dass die Beach Boys die Melodie von “Surfin ´ USA” von ihm abkupfern und das entscheidende, was Elvis Presley statt seiner zum King machte, die weiße Hautfarbe war, wird in ein paar beiläufigen Szenen abgehandelt. Weiße Jugendliche tanzen zu Blues, eine neue Generation farbiger Musiker nimmt ihre Songs auf und die Platte dreht sich weiter, auch wenn nicht mehr “Cadillac Rekords” draufsteht.
Und der Blues? Ist verendet auf dem Weg. Ihn findet man auf den historischen “Cadillac Rekords”, nicht im Kino. Dort fehlt es an rauchigen Stimmen, Temperament und vor allem Tragik. Einmal ruft Etta James aufgebracht nach einer Flasche Gin, als sie in einem Restaurant nicht bedient wird. Ähnlich fühlt man selbst, will die Depression über das verschenkte Potential der Musikgeschichte im Alkohol ertränken und wünscht gleichzeitig, die Filmfiguren würden dies tun. “Give me Whiskey, give me Bourbon, give me Gin”, sang später Janis Joplin, denn Alkoholismus war trauriger Teil der Biografien von Little Walker, Etta James und anderen. Doch dies wird nur gestreift. Sauber und ermüdend glatt wirken die dem Massengeschmack angepassten Figuren in “Cadillac Records“. Augen zu und durch?
Nein, denn die Filmmusik mischt die Originalaufnahmen mit ungleich schlechteren Neueinspielungen, die nicht die Atmosphäre der echten Werke besitzen. Immerhin gibt es noch Adrien Brody, der immer ein bisschen wie ein windiger Kerl aussieht und doch glaubhaft den Aufrichtigen spielt. Eamonn Walker gibt seinem Howlin ´ Wolf nicht nur die heisere Stimme, sondern dessen magnetische Anziehungskraft. Hier spürt man, was für ein faszinierendes Personendrama der Film hätte werden können. Stattdessen wirkt das fade Werk verstaubt wie eine alte Platte. Wer eine solche noch besitzt, sollte sie auflegen. Denn die versäumte Chance stimmt traurig – die beste Stimmung für Blues.
Titel: Cadillac Records
Start: 23. April
Regie und Drehbuch: Darnell Martin
Darsteller: Adrien Brody, Jeffery Wright, Gabrielle Union, Columbus Short, Beyonce Knowles
Verleih: Sony Pictures